Auftaktimpuls Weihbischof Gebert: "Spirituelles Internet" im Gebet
Weihbischof Franz Josef Gebert
Es ist ein weitgehender Kontrollverlust über das eigene Leben, den wir zurzeit erfahren. Die Gewohnheiten des Alltags, die uns ja auch ein Gefühl der Sicherheit geben, sind zu einem großen Teil "ausgesetzt. Wir - und auch die Entscheidungsträger in Politik, öffentlichem Leben und im wirtschaftlichen Umfeld - sind angewiesen auf die Kenntnisse von (wenigen) Fachleuten der Virologie. Kontrollverlust aber erzeugt Unsicherheit und Angst. Der "gesunde Menschenverstand" sagt uns allerdings, dass es richtig ist, in Solidarität den Weg der Einschränkungen mitzugehen.
In Situationen von Unsicherheit und Ängsten, in denen die äußere Situation uns die Sicherheit nicht geben kann, sind wir umso mehr auf die Verlässlichkeit und die Treue im Umgang miteinander angewiesen. Wir dürfen lernen, dass die wichtige menschliche Nähe nicht auf das räumliche Miteinander beschränkt ist. Und da ist auch unsere Phantasie gefragt …
Viele Frauen und Männer in den Einrichtungen und Diensten des Gesundheitswesens und der Pflege - die schon unter "normalen" Verhältnissen sehr gefordert sind - leisten in diesen Tagen Großartiges. Abnehmen können wir ihnen diese Last nicht einfach. Aber wir können uns in der Wertschätzung und im Dank mit ihnen solidarisieren. Auch das ist eine Form der Unterstützung. Und: jede und jeder kann das seine dazu beitragen, dass die Belastung der Systeme und damit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht unnötig groß wird …
Wir entdecken in diesen Tagen auch neue Wege, einander Aufmerksamkeit zu schenken. Ein ganz alter - und oft in Vergessenheit geratener - Akt der Solidarität ist das Gebet füreinander. Indem wir die Sorgen und Nöte der anderen, der Schwestern und Brüder, vor Gott bringen, geben wir IHM ganz ausdrücklich Anteil an unserem Leben mit seinen Fragen - wir nehmen Gott und seine Verheißungen mit hinein in unseren Alltag. Die Gebete weben ein eigenes Netz - sie bauen ein spirituelles Internet auf, das uns in Zeiten der Isolation auch miteinander verbindet.
Die Zeugnisse der Bibel sind eindeutig: Der Weg des Volkes Gottes ist nie ein Spaziergang gewesen. Und die Botschaft des Evangeliums macht uns deutlich, dass Gott selber in Jesus Christus keinen Spaziergang gegangen ist. Die Botschaft unseres Glaubens ist keine Schönwetter-Nachricht. Sie ist immer auch in unsere Dunkelheiten hinein gesprochen. Das Licht des Ostermorgens leuchtet auf - aber es leuchtet aus der Dunkelheit auf. Ostern bekommt so für uns heute eine ganz eigene Wirklichkeit.