Warme Mahlzeiten und Menschen, die zuhören und helfen
Die Caritas Iwano-Frankiwsk, seit mehr als 30 Jahren mit dem Diözesan-Caritasverband Trier partnerschaftlich verbunden, bereitet sich auf den ersten Kriegs-Winter vor: Bis zu 500 000 Menschen sollen nach Angaben der Behörden mit Beginn der Winterkälte in die Westukraine kommen. Es sind Binnenflüchtlinge, die aus den Gebieten im Osten der Ukraine fliehen. Dort gibt es vielerorts keine Infrastruktur mehr, keinen Strom, kein Wasser.
Es sind Familien wie zum Beispiel Nataliya, die mit ihren Eltern, mit zwei Kindern und einem Säugling nach Iwano-Frankiwsk geflohen ist. Nachdem sie lange bei einer Freundin gewohnt haben, brauchen sie nun dringend eine Wohnung. Die Caritas Iwano-Frankwsk hilft mit einem Mietzuschuss. Für Nataliya und die anderen Flüchtlinge müssen die Verantwortlichen der Caritas Iwano-Frankiwsk, Direktor Pfarrer Volodymyr Chorny und Geschäftsführerin Natalia Kozakevych, und ihre Mitarbeiter Sammel-Unterkünfte herrichten, Mietzuschüsse geben, die Verpflegung sicherstellen und psychologische Betreuung organisieren.
Schon jetzt leben in der Region rund 147 000 Geflüchtete, unter ihnen viele ältere, kranke Menschen und Familien mit Kindern. "Wir haben große Herausforderungen vor uns. Aber wir geben nicht auf. Wir werden stärker", sagt Pfarrer Volodymyr in einer Videokonferenz mit dem Diözesan-Caritasverband Trier Mitte November.
Um die Partner in der Ukraine zu unterstützen, konnte die Spendenkommission des Diözesan-Caritasverbandes 5 000 Euro bereitstellen und über weitere Projektanträge beraten. Damit die Hilfen aufrechterhalten und ausgebaut werden können, sind Spenden dringend erforderlich. Auch die Malteser im Bistum Trier unterstützen die ukrainischen Partner schon seit Jahrzehnten: Allein seit Beginn des Krieges haben sich bereits mehr als 75 Hilfsgütertransporte auf den Weg gemacht.
Flüchtlinge brauchen fast alles
Die Caritas Iwano-Frankiwsk hilft Kriegsflüchtlingen an elf Standorten in der Region, betreibt eine große Armenküche und fünf weitere Küchen, liefert Mahlzeiten in Sammel-Unterkünfte, oder kümmert sich um alte, kranke Menschen. Die Liste des Bedarfs der Geflüchteten ist lang: "Die Menschen, die jetzt als Flüchtlinge zu uns kommen, haben kein Geld, sie brauchen fast alles", berichtet Kozakevych. Die in Iwano-Frankiwsk ankommenden Vertriebenen haben oft nicht einmal das Existenzminimum: Sie brauchen Lebensmittel, Hygieneartikel, Medikamente, De-cken, Bettbezüge, Kopfkissen, Windeln, Ernährung für die Kinder, Küchenbedarf und Essgeschirr.
Mit 167 Hauptamtlichen und rund 500 Freiwilligen organisiert die Caritas Iwano-Frankiwsk die Hilfen für die jetzt schon in der Stadt und der Region lebenden Bedürftigen und die Neuankömmlinge. Da diese Aufgabe alleine gar nicht zu bewältigen ist, arbeitet die Caritas mit anderen Organisationen und NGOs eng zusammen. Dabei sind die Bedingungen, unter denen die Hilfs-organisationen arbeiten, auch im Westen der Ukraine äußerst schwierig: Pfarrer Volodymyr und Kozakevych berichten von starkem Beschuss durch Raketen und anhaltenden Stromausfällen.
Armenküche: Zufluchtsort für Bedürftige
1500 Mahlzeiten gibt die Caritas-Armenküche jeden Tag aus. Seit dem ersten Tag des Krieges ist sie ein Zufluchtsort für Geflüchtete. Der Speisesaal war der erste Ort, an dem geflüchtete Menschen und Kinder aus Kiew, Tschernihiw, Charkiw und Sumy eine warme Suppe bekommen konnten.
Neben der Grundversorgung mit einer warmen Mahlzeit organisiert die Caritas in Iwano-Frankiwsk auch dringend benötigte Medikamente oder medizinische Hilfsmittel, denn die Versorgung kranker Menschen ist unter dem herrschenden Kriegsrecht kompliziert: Der Staat garantiert zwar den Vertriebenen, dass man medizinische Leistungen erhalten kann.
Dennoch gibt es häufig Informationen über die Verweigerung der medizinischen Grundversorgung. Da der Anteil schwerkranker und pflegebedürftiger Menschen sehr groß ist, sucht die Caritas Iwano-Frankiwsk nach Unterstützung. Bei der Caritas sind hat mehr als 2.000 ältere Menschen oder mit besonderen Hilfe-Bedarfen registriert. Die Caritas betreut außerdem elf Krankenhäuser, in denen mehr als 300 schwerkranke Menschen leben. Ihr Wunsch nach Medikamenten, Pflegemitteln und Hygieneprodukten bleibt unerfüllt, wenn keine Spendenmittel zur Verfügung stehen.
Ängste und Traumata
Ebenso groß ist der Bedarf der aus den Frontgebieten geflohenen Menschen nach psychologischer Betreuung. Von Anbeginn des Krieges an macht die Caritas in Iwano-Frankiwsk Hilfeangebote. Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter und Krisenmanager stehen zu Gesprächen bereit. Die Not ist sehr groß: Menschen aus den besetzten Gebieten haben oft alles verloren, was Generationen aufgebaut hatten. Viele konnten ihre Angehörigen wegen der Kriegshandlungen nicht bestatten, mussten sie am Haus begraben. Andere trauern um Gefallene oder sorgen sich um Vermisste. Viele tragen Schuldgefühle mit sich herum, weil sie überlebt haben. So beschreiben die Caritas-Verantwortlichen die Verzweiflung vieler Geflüchteten. Oft wurden sie durch die Geschehnisse in ihrer Heimat traumatisiert: "Wir kennen Personen, die sich schon ängstigen, wenn nur einige Tauben plötzlich auffliegen oder wenn ein Flugzeug sich dem Flughafen in Iwano-Frankiwsk nähert", erzählt Kozakevych.
Was gibt den Caritasmitarbeiterinnen und -mitarbeitern in Iwano-Frankiwsk die Stärke, in dieser fast unübersehbaren Notsituation, die sie Tag für Tag erleben, Ruhe zu bewahren und unermüdlich weitere Hilfen zu organisieren? Pfarrer Volodymir berichtet von einem besonderen spirituellen Angebot: "Zusammen mit der Pfarrcaritas haben wir ein Geistliches Forum ins Leben gerufen, in dem wir um Frieden beten und Einheimische und Geflüchtete zusammenbringen. Unsere Perspektive ist der Friedensaufbau." Und Kozakevych ergänzt: "Wir sind begeistert von all den vielen Menschen, die sich engagieren, obwohl ihre Angehörigen kämpfen oder Not leiden. Und wir spüren, dass jeder Ukrainer solidarisch mit Bedürftigen ist. Das gibt uns Kraft."
Zwei Schicksale aus Iwano-Frankiwsk
"Ich mag es, wenn andere Kinder lächeln"
Unter den Freiwilligen der Caritas gibt es viele hilfsbereite Familien wie zum Beispiel
Frau Vira und ihre Enkelin Eva: Sie sind unentbehrliche Helferinnen in der Caritas. Die Familie zog von Mykolajiw in die Region Iwano-Frankiwsk. Vor dem Krieg hatte die große Familie ein kleines Geschäft: Sie waren in der Landwirtschaft tätig, pachteten Land, und bauten gelbe Wassermelonen und köstliche Tomaten an. Mit Beginn des Krieges wurden jedoch alle ihre Felder vermint und die Pumpstation zerstört, so dass sie fliehen mussten, um ihr Leben zu retten. Sogar die acht-jährige Eva bereit ist bereit, jedem Kind zu helfen. Während der Schulferien hilft das Mädchen gemeinsam mit ihrer Großmutter bei der Aktion "Ein Augenblick der Güte" mit: Sie verteilt Hilfsgüter an Familien, die vor dem Krieg geflohen sind, und an Anwohner von Iwano-Frankiwsk, die Unterstützung brauchen. "Ich mag es, wenn andere Kinder lächeln", sagt Eva. Ihre Oma Vira, die fast täglich in die Caritas kommt ist, hilft vertriebenen Familien mit einem Lächeln und Freundlichkeit, sie verteilt Kleidung, packt Lebensmittelpakete und Hygieneartikel. Die Familie träumt und glaubt, dass der Sieg für die Ukraine kommen wird und sie im Frühjahr in ihre Heimatstadt zurückkehren und von vorne anfangen werden. Jetzt gibt sich die Familie Mühe, anderen Menschen nützlich zu sein, für sie ihre Liebe und Wärme zu spenden.
Hoffnung für Baby Veronika und die Eltern
Nataliya ist dreifache Mutter. Mit Tränen in den Augen hält sie ihre jüngste Tochter, das Baby Veronika, auf dem Arm. Die Familie zog 2014 von Donezk in die Stadt Izium, später musste sie aufgrund einer groß angelegten Invasion auch dort ihr Zuhause verlassen. Derzeit lebt die Familie in Iwano-Frankiwsk.
Die Mutter hat die Caritas- Aktion "Ein Augenblick der Güte" besucht, als Veronika noch im Mutterleib war. Heute ist sie gekommen, um einen Mietzuschuss zu erhalten. "Wir haben lange bei einer Freundin gewohnt, aber jetzt mit drei Kindern brauchen wir eine separate Wohnung. Meine Eltern wohnen noch bei uns."
Dank eines Mietzuschusses von der Caritas Iwano-Frankiwsk kann die Familie eine Wohnung mieten, so dass die große Familie in naher Zukunft zusammen wohnen wird.