Tafel plus als zukunftsorientierter Ansatz
Denn Tafeln sind kein Instrument, um Ursachen und Zusammenhänge von Armut und Ausgrenzung wirksam und nachhaltig zu beseitigen. Eine institutionalisierte, logistisch durchorganisierte und sozialpolitisch verfestigte Lebensmittelversorgung bedürftiger Menschen kann deshalb aus wohlfahrtsverbandlicher Sicht nicht stillschweigend akzeptiert werden, erst Recht nicht, wenn droht, dass damit das sozialgesetzliche Sicherungsniveau strukturell verändert und ausgehöhlt wird.
Viele der bedürftigen Menschen erleben es als beschämend, regelmäßig auf die Tafel und damit auf eine solche "Naturalversorgung" angewiesen zu sein. Auch die Schlangen an den Ausgabetagen der Tafeln und der Armutsnachweis als Zugangsberechtigung müssten von der Gesellschaft als beschämend gesehen werden. Jedoch lassen die Verbreitung und die breite Zustimmung zu Tafeln vermuten, dass diese Art sozialer Unterstützung gesellschaftlich akzeptiert und für notwendig gehalten wird. Dabei spielt es offensichtlich keine Rolle, inwieweit damit das Verständnis von menschlicher Würde im Niveau graduell abgesenkt wird. Die Tatsache, dass Ehrenamtliche an den Ausgabetischen der Tafel bemüht sind, bewusst einen freundlichen und wohlwollenden Umgang zu pflegen, kann daran kaum etwas ändern.
Tafel Plus
Bereits 2007, in einer frühen Phase der Tafelgründungen, wurden auf unserer verbandlichen Ebene Überlegungen angestellt, auf die Entwicklung von Tafeln mit einem sozialen und sozialpolitisch begründeten Konzept zu reagieren.
Im Ergebnis führte der innerverbandliche Diskussionsprozess zu dem mittlerweile auf Bundesebne häufig zitierten Ansatz "Tafel-Plus". Damit sollte einerseits ein Signal zur kritischen Auseinandersetzung mit dieser Form organisierter Notversorgung armer Menschen gegeben werden, zugleich aber auch eine Anregung, wie die pure Verteilung überschüssiger Lebensmittel mit fachlichen Kompetenzen und personellen Ressourcen eines Tafelträgers verbunden werden kann. Das "Plus" sollte darin bestehen, soweit gewünscht und möglich, durch beratende, begleitende und befähigende Angebote einer dauerhaften Abhängigkeit von Lebensmittelspenden entgegen zu wirken. Durch individuelle Hilfen soll verhindert werden, dass sich Armut im Einzelfall verfestigt.