Der mitreißende Netzwerker
"Aber bei aller Eitelkeit. Sie ist auch ein Statement für gesellschaftspolitisches Engagement, für Friedens- und Gedenkarbeit, für interkulturelle Verständigung und interreligiösen Dialog", sagt Zuche und strahlt.
So sieht Freude aus: Thomas Zuche zeigt sein Bundesverdienstkreuz und die von Bundespräsident Joachim Gauck unterschriebene Urkunde. Ingrid Fusenig
Es ist schon etliche Jahre her, doch Thomas Zuche kann sich noch lebhaft an den Wortwechsel erinnern. Mit kritischen Nachfragen war er einem Bundestagsabgeordneten wohl etwas zu sehr auf die Füße getreten. Jedenfalls höhnte der genervt und gereizt: "Ach, der Herr Zuche will wieder die Welt verbessern!" Nun, wer jemals mit dem Trierer gesprochen hat, ahnt die Antwort: "Ja, jeden Tag ein bisschen." Für Thomas Zuche war dieser Satz nicht bloß ein lockerer Spruch, sondern schlicht die Wahrheit. Versprechen und Verpflichtung gleichermaßen. Seit fast 40 Jahren, beruflich wie privat, versuche er, dieses "Versprechen" zu halten.
Alles akribisch aufzulisten, was der heute 56-Jährige bewegt und initiiert hat, würde Bücher füllen. Vera Reiß, rheinland-pfälzische Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, brachte das Engagement Anfang Februar in Mainz bei der Verleihung des "Bundesverdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland" so auf den Punkt: "Wir ehren einen Mann, der dem Vergessen die Stirn bietet. Er sensibilisiert für einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Vergangenheit und damit auch mit der Zukunft." Gewürdigt würden langjährige Friedensarbeit sowie Gedenk- und Erinnerungsarbeit an die Opfer des Nationalsozialismus. In der Pressemitteilung des Ministeriums lautete die Schlagzeile: "Einsatz für Frieden und Menschlichkeit." Letzterer ein Begriff, der dem Geehrten gut gefällt. "Menschlichkeit, ja das trifft es." Genauso wie das Lob, ein "mitreißender Netzwerker" zu sein. "Das konnte ich gut hören."
Treffende Worte - Zuche revanchierte sich während der Feierstunde mit dem Versuch, die acht Spitzen des Verdienstkreuzes in Bezug zu bringen zu seinem Leben und seiner Arbeit. "Die Idee dazu hatte meine Frau Rita. Und mir ist tatsächlich zu jeder Spitze etwas in den Sinn gekommen." Zum Beispiel die christliche Prägung. "Ich bin ein sehr frommer Mensch, ziehe viel Kraft aus meinem Glauben", erzählt er. Seine Eltern hätten ihm vorgelebt, auch den Sünder, den vermeintlichen Feind nicht endgültig zu verurteilen, sondern ihn mit Verständnis wahrzunehmen. "Das hat mich zum Grenzgänger und Brückenbauer werden lassen."
Berater und Beistand für Kriegsdienstverweigerer
Aus Gewissengründen hat Zuche 1977 den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert. Mehr noch. Er sah Handlungsbedarf und engagierte sich als Berater und Beistand des Bistums Trier für Kriegsdienstverweigerer, integrierte - wieder ganz der "Grenzgänger" - sogar einen Bundeswehrsoldaten in die Arbeit. 1979 schließlich kam es zu einer folgenreichen Begegnung mit Klaus Jensen, Triers späterem Oberbürgermeister, der gerade sein berufliches Leben umgekrempelt hatte, um sich für Frieden und Gewaltfreiheit einzusetzen. Gemeinsam "entrüsteten" sie sich, gründeten die überparteiliche und überkonfessionelle Arbeitsgemeinschaft Frieden (AGF). Dort fühlt sich Zuche bis heute zuhause. Mit "wunderbaren Menschen" wird an Konzepten zu Themen gearbeitet wie: Soziale Friedensdienste, Atomrüstung, alternative Sicherheitskonzepte, Militärbeobachtung, Friedensforum Christlicher Gruppen, Israel-Palästina, Ost-West-Dialog, Trier im Nationalsozialismus. Apropos Ost-West-Dialog: Das Engagement etwa für die Städtepartnerschaft Trier-Weimar und vor allem Begegnungen mit der dortigen Opposition, mit Bürgerrechtlern und Friedensgruppen war den DDR-Eliten ein Dorn im Auge. "Meine Akte in der DDR war zuletzt 200 Seiten stark." Und eigentlich sei es sogar ein Trialog gewesen, denn man habe ja auch mit SED-Verantwortlichen gesprochen. Doch auch im Westen "schaffte" er es - als Mitorganisator eines Gottesdienstes vor der US-Air-Base in Bitburg - "in die Datei des Innenministeriums zur präventiven Spurensicherung vor Anschlägen." Zuche: "Ja, ich hatte auch mein Kreuz mit dem Staat."
Bei der Auszeichnung in Mainz (von links): Rita Schneider-Zuche, Klaus Jensen, Thomas Zuche und Ministerin Vera Reiß.Foto: Ministerium
Heute steht Thomas Zuche häufig im Blickpunkt, wenn es ums Erinnern geht. Die Opfer des Nationalsozialismus dürfen nicht vergessen werden. Gemeinsam mit Thomas Schnitzler hat er die "Aktion Stolpersteine" nach Trier gebracht. Bei Stadtführungen, Vorträgen oder im Buch "StattFührer" (Herausgeber und Mit-Autor) informiert er über die Ereignisse in Trier von 1933 bis 1945. Zuche ist zudem Mitglied der Trierer Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und fördert den christlich-islamischen Dialog.
Doch, was sich heute wie eine durchgängige Erfolgsstory liest, sind viele Etappen mit Höhen und Tiefen. Es gab und gibt auch Widerstände. Ohne Kraft und Rückhalt seiner Frau, seiner Freunde und vieler Wegbegleiter, kurzum "vieler leidenschaftlicher und begabter Menschen an meiner Seite", sei das Engagement nicht möglich gewesen, räumt er ein.
Ehrenamtskoordinator im Projekt "Flucht und Asyl"
Froh und stolz ist Thomas Zuche, dass Caritasdirektor Dr. Bernd Kettern ihn für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen hat. Denn der ist sein Chef. 15 Jahre lang hat Zuche in Saarburg hauptberuflich im Jugendmigrationsdienst Integrationsarbeit geleistet, im Sommer 2015 ist er nach Konz gewechselt. "Das ist schon eine große Umstellung. Vorher war ich Einzelkämpfer. Jetzt arbeite ich mit zehn Leuten in einem gemischten, wuseligen Team", erzählt er. "Es macht Spaß, ist sehr schön." Er ist Ehrenamtskoordinator im Projekt "Flucht und Asyl" des Landkreises Trier-Saarburg und des Caritasverbandes Trier. "Es geht darum, für die Flüchtlingsarbeit Ehrenamtliche zu gewinnen, zu schulen und zu begleiten. Wir brauchen tragfähige Strukturen und ein gemeinsames Dach."
An die Ränder gehen, um die Mitte zu beeinflussen
"Ein Kreuz! Vom Staat!" Für den Theologen und Politikwissenschaftler Zuche passt das gut zusammen. Das Kreuz stehe für seine christliche Grundhaltung, der Staat "für das Gemeinwesen, das ich mit meinen bescheidenen Mitteln beeinflussen und verändern möchte". Sein Ziel ist, "an die Ränder von Kirche und Gesellschaft zu gehen, um die Mitte zu beeinflussen". In Zuches Mainzer Rede heißt es am Ende: "Wer will, dass die Welt so bleibt wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt." Der Satz stammt von Erich Fried. "Ich hab das schon so verinnerlicht. Manchmal denke ich, er könnte von mir sein."
Und wie geht es weiter mit Thomas Zuche? Er will auch künftig mit Optimismus, Kraft und Energie in der Gesellschaft wirken, Markierungen setzen, will Brücken schlagen zwischen Einheimischen und Einwanderern, zwischen Kulturen und Mentalitäten. In der Migrationsarbeit fühle er sich ganz zu Hause. "Ich weiß um den Schmerz so vieler Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten. Ich kann das nachempfinden." Er wünscht sich eine Willkommenskultur, die auch den Zweifelnden mitnimmt.
Und er will weiter gesellschaftspolitisch den Finger in die Wunden legen. Nur kurz nach dem "Paulinus"-Gespräch, bei dem es auch um den "grassierenden Alltagsrassismus" ging, hinterlässt Thomas Zuche eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter: "Ich hab da eine Idee. Das Thema Rechtsgläubige in Trier müsste mal aufgearbeitet werden. Was denken Sie?"