Vater, Bruder, Freund
Die zunehmende Verarmung breiter Gesellschaftsschichten - vor allem im Rentenalter - sorgt für eine Prognose von über 500.000 Menschen, die bis 2018 ohne Wohnung sein werden.
Seit 34 Jahren bietet das Bruder-Konrad-Haus in Saarbrücken wohnungslosen Männern nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch Hilfe, Beratung und Begleitung an, damit sie den Sprung zurück ins eigene Leben schaffen. Wiedereingliederung in die Gesellschaft mit der Perspektive eines eigenverantwortlichen Lebens heißt das im Sozial-Fachjargon. Einigen gelingt das, manchen nicht. Etwa 20 Prozent kommen auf Anhieb auf die Beine, weitere 20 Prozent mit Anlauf.
Im Einsatz für Wohnungslose: Heimleiter Wolfgang Höfner vor dem neuen Bruder-Konrad-Haus in Saarbrücken.Sandra Blass-Naisar
Wolfgang Höfner leitet das Bruder-Konrad-Haus in Saarbrücken. Kein Job für zarte Gemüter, ein Job mit Verantwortung für 28 Mitarbeiter und 60 Bewohner aus allen sozialen Milieus im Alter zwischen 18 und 75 Jahren. "Ich muss den Laden zusammenhalten und das ist oft eine Gratwanderung zwischen Pädagogik und Betriebswirtschaft. Ich bin für viele Vater, Bruder und Freund in einem. Das zehrt an den Kräften. Gott sei Dank habe ich gute Mitarbeiter. Wir sind ein gutes Team."
Der Sozialdienst bereitet die Bewohner für ein Leben außerhalb der Einrichtung vor. Mit Maßnahmen zur beruflichen Integration, Schuldnerberatung, Unterstützung bei der Wiederaufnahme von sozialen Beziehungen zu Verwandten und Bekannten, das Geltend-Machen von finanziellen Ansprüchen über Jobcenter, Renten- und Krankenversicherung, Hilfe bei Straffälligkeit und drohenden Verfahren, Vermittlung notwendiger ärztlicher Behandlung, Unterstützung bei der Überwindung von Suchtkrankheiten und vieles mehr.
Gleich vis-à-vis wächst ein imposanter Neubau empor. Das neue Bruder-Konrad-Haus. Mit 65 Plätzen wird es durch seine Einzel-Zimmer-Konzeption die Lebensqualität wohnungsloser Männer erheblich verbessern und auch dafür hat Wolfgang Höfner viele Jahre lang gekämpft. Jugendherberge-Niveau mit Frühstücks- und Abendbuffet, mittags wird frisch gekocht. "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit" sagt der Sozialpädagoge. "Früher sprach man von Nichtsesshaften, von Tippelbrüdern, die hier mit einem Tablett anstanden, um sich ihr Essen abzuholen. Heute können sich unsere Bewohner am Buffet bedienen und zukünftig auch unter Anleitung gemeinsam kochen."
Wolfgang Höfner kam 1984 nach dem Studium in Dortmund als Praktikant ins Bruder-Konrad-Haus, wechselte nach 10 Jahren zu den SOS-Kinderdörfern, wo er sich intensiv um 14 bis 18-Jährige kümmerte. 2003 kehrte er zurück und übernahm 2009 die Stelle als Heimleiter.
Mehr junge und psychisch Kranke Menschen kommen
7500 unterschiedliche Bewohner in 34 Jahren zählt die Statistik des Hauses. Menschen aus allen Berufsgruppen hat Wolfgang Höfner kennengelernt. Auch den Akademiker, der abstürzt und von alleine nicht mehr auf die Beine kommt. "Wir haben Bewohner, die gehören quasi zur Familie, die leben seit zehn, 15 Jahren, bei uns und würden draußen gar nicht mehr zurechtkommen", sagt Höfner. Alkohol und Drogen haben Spuren hinterlassen. "Einige können nicht wirtschaften, sie würden zuhause vor dem Fernseher verkümmern."
Sorge macht ihm, dass immer mehr junge Menschen im Haus Zuflucht suchen, immer mehr psychisch Kranke. Nur wenige Bewohner haben ein festes Arbeitsverhältnis, ein Dutzend arbeitet im Ein-Euro-Job im Haus - in der Reinigung, Küche oder als Hausmeister, der Rest ist arbeitslos. Montags ist Zahltag, dann bekommen die Männer ihr Taschengeld, im Amtsdeutsch heißt das Grundbetrag. 109 Euro im Monat.
Wie er es schafft den Job seit mehr als 30 Jahren zu machen? Mit einer Ehefrau und drei Söhnen zuhause? "Vielleicht genau deshalb", meint Wolfgang Höfner. "Die Familie hilft. Und der Sport." Als Mannschaftsspieler und Trainer habe er schon sehr früh im Leben gelernt, mit kleinen Schritten weit zu kommen, einen langen Atem zu haben, Niederlagen gemeinsam zu ertragen, im Team zu gewinnen. Ohne den Sport wäre ich heute nicht hier."
Erlebnispädagogik - das ist ihm wichtig. Gemeinsam haben sie im Bruder-Konrad-Haus auch eine Fußball-Mannschaft aufgebaut, die auch an der Deutschen Meisterschaft im Straßenfußball teilnimmt. Drei Bewohner des Hauses wurden in die Fußball-Nationalmannschaft der Wohnungslosen gewählt, haben an WMs in Brasilien, Mexiko und Chile teilgenommen.
Plakatkampagne gestartet
"Wir müssen an die Öffentlichkeit", sieht es Höfner, "wir müssen raus aus der Nische und darum haben wir jetzt auch eine große Plakatkampagne gestartet. "Zurück im Leben" heißt sie. An 130 Orten, Gebäuden, Brücken und Straßen machen Silhouetten von Menschen auf die Probleme von Wohnungslosen aufmerksam. Die fiktiven Personen - Robert, Stefan, Andreas - melden sich nach ihren Abstürzen zurück im Leben. Dank der Hilfe von Einrichtungen wie dem Saarbrücker Bruder-Konrad-Haus der Caritas. Und Menschen wie Wolfgang Höfner, die nicht aufgeben, für ihre Zukunft zu kämpfen.