Bischof Dr. Stephan Ackermann schwor die Teilnehmenden ein, weiterhin für die Würde aller Menschen einzustehen, auch wenn das Engagement oft unterfinanziert sei. Das Engagement müsse durch Stellungnahmen und Berichte in der Öffentlichkeit sichtbarer werden - auch gegen die Angst gesellschaftlich von Barmherzigkeit nichts mehr zu spüren.Foto: Simon Engelbert Photo
Rund 120 Trägervertretende der Dienste und Einrichtungen der Caritas im Bistum Trier waren der Einladung von Domkapitular Benedikt Welter und Christoph Wutz zum 1. Netzwerktreffen der Träger der Caritas in die Europahalle Trier gefolgt. Als Verbandsleitung des Caritasverbandes für die Diözese Trier hatten Sie dazu aufgerufen, die geballte Expertise der Caritaswelt des Bistums gemeinsam im Dialog mit Bischof Dr. Stephan Ackermann, Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl und Prof. Dr. Stefan Sell zu nutzen, um zu sozialpolitischen und gesellschaftlichen Fragestellungen Lösungen zu entwickeln. Am Ende stand eine Erklärung des Diözesancaritasverbandes, die sich gegen jede Form des Extremismus ausspricht, sich für Menschenwürde und -rechte, Demokratie und Sozialstaat stark macht und damit für die Grundwerte Offenheit, Solidarität und eine Gesellschaft, die niemanden ausschließt, einsteht. Der Erklärung soll im kommenden Jahr mit dem Netzwerkprojekt "Zusammen geht was. Demokratiepolitisch Anwalt sein." gemeinsam mit den eingeladenen Trägervertretenden ein Gesicht gegeben werden.
Mit Sorge beobachtet Prof. Stefan Sell die aktuelle politische Diskussion, die nur allzu häufig losgelöst von Fakten in einer Abwertungs- und Exklusionsdebatte münde.Foto: Simon Engelbert Photo
"Caritas ohne Kirche und Kirche ohne Caritas ist unmöglich - nur als Ganzes sind wir Kirche", schwor Domkapitular Benedikt Welter, Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbandes, gleich zu Beginn die Teilnehmenden ein "und als solches gilt es gemeinsam den Herausforderungen dieser Zeit zu begegnen." Doch auf welchen Grundlagen sollte sich die Gesellschaftspolitik zeitgenössischer Caritas bewegen? - zu dieser Fragestellung kamen mit Prof. Andreas Lob-Hüdepohl, Prof. Dr. Stefan Sell und Bischof Dr. Stephan Ackermann gleich drei Perspektiven zum Vorschein.
Einsamkeit und Klimawandel fordern Wertesystem heraus
Extreme Einsamkeit und Klimawandel fordern das Wertesystem heraus - Mit der Folge, dass die bisher breite Akzeptanz der Menschenrechte ins Wanken gerät und damit die grundlegenden Werte von Sozial- und Gesellschaftspolitik, verdeutlichte Prof. Andreas Lob-Hüdepohl im Rahmen des 1. Netzwerktreffen der Träger der Caritas.Foto: Simon Engelbert Photo
Prof. Lob-Hüdepohl zeichnete in seinem sozialethischen Ansatz ein Bild der Caritas als Wohlfahrtsakteurin mit gesellschaftspolitischem Mandat. Als Vertreterin der Menschenrechtsprofession Soziale Arbeit sieht sie sich den Herausforderungen "Klima und Gesundheit" und "extremer Einsamkeit" gegenübergestellt. Einer der Grundpfeiler der katholischen Soziallehre ist die Gerechtigkeit, so der Professor für Theologische Ethik an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin. Wenn man danach schaut, wer vom Klimawandel besonders betroffen ist, wer die Folgekosten trägt und wer ihn verursacht, fällt auf, dass die Ungerechtigkeiten durch die Klimawandel zwischen den Generationen und sozialen Schichten ungleich verteilt ist. Darum sei die Klimafrage als Gerechtigkeitsfrage zentral.
Extreme Einsamkeit, als zweite zentrale Herausforderung, beträfe entgegen der häufigen Annahme insbesondere junge Menschen. Einsamkeitserfahrungen belasteten den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Besonders bei jungen Erwachsenen wurde empirisch festgestellt, dass Einsamkeit, Vorbehalte und der Zuspruch zu autoritären Systemen häufig gemeinsam auftreten. Mit der Folge, dass die bisher breite Akzeptanz der Menschenrechte ins Wanken gerät und damit die grundlegenden Werte von Sozial- und Gesellschaftspolitik, so der Geschäftsführer des Berliner Instituts für christliche Ethik und Politik. Und genau da sei die Caritas gefordert: "Die Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, der Menschenrechte und der Respekt vor der Vielfalt sind für die Soziale Arbeit zentral. Die Träger der Caritas im Bistum Trier sind demokratiepolitisch gefordert, sowohl im politischen Diskurs wie auch im Feld projekt-praktischen Engagements in Sozialer Arbeit und Sozialwirtschaft, also den konkreten Taten", so Lob-Hüdepohl.
Abwertungs- und Exklusionsdebatte losgelöst von Fakten
Prof. Dr. Stefan Sell weitete die Diskussion durch eine sozialpolitische Perspektive. Mit Sorge beobachtet er die aktuelle politische Diskussion, die nur allzu häufig losgelöst von Fakten in einer Abwertungs- und Exklusionsdebatte münde. Angefangen bei den Sparansätzen der Regierung im Bürgergeld, obwohl deren Anteil am Sozialbudget mit 4,1% überschaubar ist und der eigentliche Hebel für Einsparungen in den großen Posten läge. "Abwertung und im Ergebnis eine Entmenschlichung ganzer Personengruppen nehmen zu und viele eher symbolpolitische Maßnahmen werden als angebliche Lösung struktureller Probleme präsentiert", so der Professor für Volkswirtschaftslehre, Sozialpolitik und Sozialwissenschaften an der Hochschule Koblenz-Remagen. Ähnliche Abwertungsdiskussionen erlebe er in der völlig undifferenzierten Flüchtlingsdiskussion. Jung gegen Alt werden gegeneinander ausgespielt etwa bei der Diskussion um die Einschränkung der medizinischen Versorgung von alten Menschen. Die Wertigkeit einzelner Menschen wird in solchen Debatten in Frage gestellt. Die Kernkompetenz der Caritas, die Wertigkeit allen Lebens zu schützen, sei hier ausdrücklich gefragt. Darum bräuchten nicht nur die Menschen, für welche die Caritas sich einsetze, ihren Schutz, sondern auch die Mitarbeitenden der Caritas entsprechendes Handwerkszeugs. "Was macht Sie aus, was sind Ihre Alleinstellungsmerkmale als christliche Träger?"
Er riet dazu, sich gegen ein Bild der Einrichtungen und Dienste zu stellen, welches ihr ausschließlich die Rolle des Kostenverursachers zuschiebe. Die Träger der Caritas sollten sich viel mehr als Investition in Menschen durch etwa eine menschenwürdige Behandlung in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen positionieren, welche einen Mehrwert für die gesamte Bevölkerung generiere. "Und das muss eine Gesellschaft sich leisten. Sie sollten den Ball ruhig zurückspielen und konkret fordern, was Sie als Träger für eben diese würdige Pflege benötigen."
Diözesancaritasdirektor Christoph Wutz (l.) und Diözesancaritasvorsitzender Benedikt Welter (r.) hatten dazu aufgerufen, die geballte Expertise der Caritaswelt des Bistums gemeinsam im Dialog mit Bischof Dr. Stephan Ackermann (Mitte), Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl (2.v.l) und Prof. Dr. Stefan Sell (2.v.r.) zu nutzen, um zu sozialpolitischen und gesellschaftlichen Fragestellungen Lösungen zu entwickeln. Am Ende stand eine Erklärung des Diözesancaritasverbandes, die sich gegen jede Form des Extremismus ausspricht und sich für Menschenwürde und –rechte, Demokratie und Sozialstaat stark macht. Foto: Simon Engelbert Photo
Sichtbar für die Würde der Menschen einstehen
Gerade im Hinblick auf wachsende Einsamkeit, Klimafrage, Abwertungs- und Exklusionsdebatte und die immer näherkommenden Einschläge und Bedrohungen für die Caritaswelt gepaart mit einer ideologiekritischen Debatte gegenüber Kirche dürfte sich Kirche nicht auf ihren Markenkern der Liturgie und Verkündigung reduzieren lassen, erweiterte Bischof Dr. Stephan Ackermann die Runde um eine kirchenpraktische Ebene. Caritas sei ein wesentlicher Auftrag durch das Evangelium. Er forderte daher alle Teilnehmenden dazu auf, klar zu benennen, aus welcher Botschaft heraus man handele und auch dazu zu stehen. Die Liebe zu Gott sei untrennbar von der Liebe zum Menschen. Glaubwürdiges Einstehen und konkretes Tun seien nun gefragt.
Caritas setze sich für die Würde aller Menschen ein, auch wenn das Engagement oft unterfinanziert sei und durch Stellungnahmen und Berichte in der Öffentlichkeit sichtbarer werden müsse - auch gegen die Angst gesellschaftlich von Barmherzigkeit nichts mehr zu spüren.
Gegen jede Form des Extremismus - Für Menschenwürde, Demokratie und Sozialstaat
Noch sichtbarer werden im Engagement für die Menschenwürde aller und den Sozialstaat, das ist auch der Anspruch der vom Diözesanvorsitzenden Domkapitular Benedikt Welter vorgestellten Erklärung zum gesellschaftspolitischen Anspruch und Handeln zeitgenössischer Caritas im Bistum Trier. "Als demokratiepolitischer Anwalt setzen wir als Caritas im Bistum Trier gemeinsam mit Ihnen als den Trägern der Caritas und unserem Bischof Dr. Stephan Ackermann auf Haltung und Dialog. Gerade jetzt braucht es diese Stimme." Der Erklärung soll im kommenden Jahr mit dem Netzwerkprojekt "Zusammen geht was. Demokratiepolitisch Anwalt sein." gemeinsam mit den eingeladenen Trägervertretenden ein Gesicht gegeben werden.
Die Erklärung ist im ganzen hier nachzulesen.
Rund 120 Trägervertretende der Dienste und Einrichtungen der Caritas im Bistum Trier waren der Einladung des Caritasverbandes für die Diözese Trier zum 1. Netzwerktreffen der Träger der Caritas in die Europahalle Trier gefolgt. Foto: Simon Engelbert Photo