Würde und Autonomie für arme Menschen zu ermöglichen, sollte das Ziel der Hilfen gegen Armut sein: Dies war eine zentrale These des Kasseler Soziologen ProfessorDr. Heinz Bude beim Caritas-Forum zum Welttag der Armen am 15. November in Koblenz. Wenn Menschen in Armut stets diejenigen sind, die etwas bekommen und nie selbst etwas geben können, führe dies zu Resignation, Wut oder Unterwürfigkeit. Menschen sollten immer die Chance bekommen, für sich selbst zu sorgen. Bude nannte neben der materiellen Armut die Bildungs- und Ernährungsarmut als Beispiele für unterschiedliche Facetten von Not. Um Armut zu bekämpfen, braucht es nach Ansicht des renommierten Soziologen eine gesellschaftliche Solidarität im Sinne von gegenseitiger Hilfe und Großzügigkeit. Dies könne sich für die Gesellschaft nur positiv auswirken, denn: "Wer Solidarität erfährt, leistet sie irgendwann selbst", so Bude. Für die Zukunft sieht er in der materiellen Altersarmut und dem Phänomen der Einsamkeit im Alter die größten Herausforderungen der Gesellschaft: Im Alter werde Solidarität immer wichtiger, und die jetzt "jungen Alten" müssten für die Älteren sorgen.
Der Journalist Carsten Tesch hatte sich dem Phänomen Armut anders genähert: Er stellte bei der
Veranstaltung in der Citykirche Biografien wohnungsloser Menschen aus Koblenz vor. In der ambulanten Fachberatung für Wohnungslose der Caritas hatte er sich mit Menschen getroffen und sie nach ihrer Geschichte befragt. Er berichtete über Frauen und Männer, deren Biografien eben nicht geradlinig verlaufen sind, sondern von Suchtproblemen, Depression, Einsamkeit und Schicksalsschlägen geprägt sind. Die Zuhörer erfuhren beispielsweise vom Leben eines Paares, das in einer Garage lebt. Die Frau geht in Koblenz betteln und bekannte dem Journalisten mit Tränen in den Augen: "Kein schönes Gefühl, ich schäme mich in Grund und Boden." Tesch lässt die Zuhörer betroffen zurück. Die authentischen Beispiele zeigen: Es gibt härteste Armut unter uns, und sie kann jeden treffen.
"Hinter der Armut den Menschen sehen"
Diese Sicht auf den einzelnen Menschen ist auch für den Vorsitzenden des Diözesan-Caritasverbandes, Weihbischof Franz Josef Gebert, zentral: "Wir dürfen Armut nicht als eine statistische Größe sehen, sondern den Menschen dahinter". Das ist das Anliegen des von Papst Franziskus initiierten jährlichen Welttages der Armen. Was die Gesellschaft braucht, um solidarisch zu handeln, diskutierten in einer von Christian Otterbach (Saarländischer Rundfunk) moderierten Talkrunde die Direktorin des Caritasverbandes Koblenz, Martina Best-Liesenfeld, der Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Bildungsministerium, Dr. Denis Alt, Carsten Tesch und Professor Dr. Heinz Bude.
30 000 Euro für Koblenzer Wohnungslosenprojekt
Diözesan-Caritasdirektorin Dr. Birgit Kugel fasste die Gedanken des Caritas-Forums in ihrem Schlusswort zusammen und überbrachte der Caritas Koblenz eine gute Nachricht: Um die Arbeit des Wohnprojektes "Neustadt 20" für (ehemals) wohnungslose Menschen zu unterstützen, hat die Elly-Weiler-Stiftung eine Fördersumme von 30 000 Euro bereitgestellt. Damit kann die Caritas, die das Projekt weitgehend aus Eigenmitteln trägt, künftig eine sozialpädagogische Begleitung und ein Fallmanagement umsetzen: "Gute Schritte, um Wohnen und Teilhabe für benachteiligte Menschen zu sichern und weiterzuentwickeln", so Dr. Kugel. Mit einer herzlichen Einladung zum Besuch der Neustadt 20 schloss die Vorsitzende des Caritasverbandes Koblenz, Anette Moesta, die Veranstaltung.