Eine "politisch wache Caritas", die sich zu gesellschaftlichen Herausforderungen wie Langzeitarbeitslosigkeit oder Flüchtlinge klar positioniert, ist notwendiger denn je: Dies stellte Dr. Hans- Jürgen Marcus, Direktor des Diözesan-Caritasverbandes Hildesheim, in den Mittelpunkt seines Vortrags, den er bei der Tagung "Barmherzigkeit und Gerechtigkeit" am 8. September im Robert-Schuman-Haus in Trier hielt. Veranstalter der Tagung war die Arbeitsgemeinschaft der Caritasverbände Rheinland-Pfalz. Die Trierer Diözesan-Caritasdirektorin Dr. Birgit Kugel begrüßte über 100 Gäste aus Caritasverbänden, Fachverbänden und Einrichtungen der Bistümer Trier, Mainz, Speyer und Limburg. Diese Tagung war ein Beitrag zum 100-Jahr-Jubiläum des Caritasverbandes im Bistum Trier und des Jahres der Barmherzigkeit.
Barmherzigkeit und Gerechtigkeit waren auch das Thema der Predigt von Bischof Dr. Stephan Ackermann im Eröffnungsgottesdienst. Die biblische Gerechtigkeit beziehe sich auf die "rechte Beziehung" zu Gott und das Handeln im Sinne Gottes. Deshalb seien Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in biblischer Sicht keine Gegensätze. Durch Barmherzigkeit sei es möglich, Menschen einen neuen Anfang zu ermöglichen.
Dieser Spannungsbogen zwischen Barmherzigkeit, wie sie der "barmherzige Samariter" ausübt, und (sozialer) Gerechtigkeit zog sich durch die gesamte Veranstaltung. So sagte Dr. Hans- Jürgen Marcus, dass es eben nicht immer genüge, Wunden zu verbinden, sondern dass vielmehr "Strukturen der Räuberei" freigelegt und beseitigt werden müssen. Dennoch sei immer auch Barmherzigkeit gefordert, wenn Menschen Trost und Solidarität brauchen. Diesen Herausforderungen solle sich die Kirche und ihre Caritas noch deutlicher stellen und den Armen die Frohe Botschaft bringen. "Gottes Liebe ist inklusiv, barrierefrei und gilt nicht nur für die, die eine gültige Eintrittskarte haben", formulierte es Dr. Marcus zum Schluss seines mit großem Applaus bedachten Referates.
Die Grüße der rheinland-pfälzischen Landesregierung hatte zuvor Staatssekretär David Langner vom Sozialministerium überbracht: Die Caritasverbände Rheinland-Pfalz träten für eine solidarische Gesellschaft ein, in der Menschen gemeinsam in Würde leben können. "Sie weisen auf neue und bestehende Nöte hin und gestalten in dieser Rolle unsere Sozial- und Gesellschaftspolitik aktiv mit. Die heutige Veranstaltung zeigt die Nähe zwischen christlichen Werten und den Wertvorstellungen unseres modernen Sozialstaates. Unsere Gesellschaft braucht Werte. Und sie braucht Orientierung." Für sein inzwischen 100-jähriges Engagement dankte Langner dem Diözesan-Caritasverband Trier herzlich.
Am Nachmittag übertrugen die Teilnehmer in sieben Foren die biblischen "Werke der Barmherzigkeit" in aktuelle gesellschaftliche Themenfelder. So ging es beispielsweise um Wohnungslosigkeit, um die Würde von durch Menschenhandel und Prostitution ausgebeuteten Frauen oder auch die Frage, wie Barmherzigkeit im Gefängnis gelebt werden kann. Soziale Gerechtigkeit, die Ökonominierung im Gesundheitswesen, der Umgang mit den Ressourcen der Erde und Fragen rund um die Kultur der Bestattung waren weitere zentrale Themen.
Schlussworte sprachen der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Caritasverbände Rheinland-Pfalz, Domkapitular Hans-Jürgen Eberhardt, und der Vorsitzende des Diözesan-Caritasverbandes Trier, Prälat Franz Josef Gebert. Der Tag habe wertvolle Orientierung für die Alltagsarbeit gegeben. Prälat Gebert betonte, das diakonische Handeln der Kirche müsse stärker werden, wie es auch die Bistumssynode als Zukunftsoption fordert.