Impuls: Den Alltag neu gestalten
Orpheus mit der Lyra in der Hand, umgeben von zwei wilden Tieren, die seinem Gesang lauschen.Rita Heyen
An diesem Montag möchten wir Sie auf ein ungewöhnliches Osterbild aufmerksam machen. Sie finden es im Trierer Dom auf der Nordseite der Altarinsel. In den dunklen Peperinostein eingeschnitten sehen Sie eine Gestalt der griechischen Mythologie. Es ist Orpheus mit der Lyra in der Hand, umgeben von zwei wilden Tieren, die seinem Gesang lauschen. Beim Betrachten des Bildes erinnern Sie sich vielleicht noch an den Song von Reinhard Mey aus dem Jahr 1967: "Ich wollte wir Orpheus singen, dem es einst gelang, Felsen selbst zum Weinen zu bringen mit seinem Gesang…" In spätrömischer Zeit haben die Kirchenväter in Orpheus einen Vorläufer des auferstandenen Christus gesehen und beide Gestalten in Beziehung zueinander gesetzt. Im Mythos ist der Spielmann Orpheus aus Liebe zu seiner verstorbenen Frau, der Nymphe Eurydike, in den Hades hinabgestiegen, um den Tod durch seine Gesang zu bezwingen und seine Frau ins Leben zurückzuholen. Dieser Versuch ist jedoch tragisch gescheitert. Erst Christus, der nach seiner Kreuzigung in das Reich des Todes hinabgestiegen ist, hat seine geliebte Eurydike, die dem Tod verfallene Menschheit, durch die Auferstehung aus dem Schattenreich des Todes befreit und in die Welt des Lichtes hinaufgeführt.
Das Orpheus-Christus-Osterbild enthält eine zweite Botschaft. Der ägyptische Kirchenvater Clemens von Alexandrien (um 350) deutet die Lyra, das Musikinstrument in der Hand des Poeten, als Symbol für die Kirche. Er schreibt: "Die Kirche ist in der Hand des Spielmanns Christus das Instrument, auf dem das Lied des Lebens gegen den Tod erklingen soll." In dieser außergewöhnlichen Osterzeit 2020 enthält die Aussage des Kirchenvaters einen ganz eigenen Klang. Ein unverzichtbarer Dienst der Kirche für die Gläubigen, für die uns anvertrauten Menschen in den Einrichtungen und Dienststellen sowie für die ganze Gesellschaft bestehen darin, als ein gut klingendes Musikinstrument in der Hand Christi das österliche Halleluja, das Lied des Lebens gegen den Tod, anzustimmen.
Gestaltet von der AG Spiritualität: Claudia Lauer, Prof. Dr. Martin Lörsch, Patricia Loskill, Hans Rosprim und Anne Veit-Zenz