Etwas richtig Sinnvolles tun
Unter anderem jede Woche dienstags und donnerstags, wenn er in Bad Hönningen die Schulbank drückt. Nicht etwa als Schüler, Lehrling oder Student "in eigener Sache". Nein, Günther Ecker ist ehrenamtlicher Lernpate, einer von derzeit 40 Aktiven im Projekt von Caritasverband Rhein-Wied-Sieg und Kreisverwaltung Neuwied.
2007 ging in Rheinland-Pfalz das Lernpaten-Projekt für Grundschüler an den Start mit dem Hintergrund, Kindern mit besonderem Betreuungsbedarf mit Hilfe ehrenamtlicher Paten Chancen auf Bildung zu ermöglich. Neben der Förderung des Lernens geht es darum, Selbstwertgefühl und Persönlichkeit zu stärken. Seit sechs Jahren tragen Caritasverband und Kreisverwaltung das Programm im Landkreis Neuwied an derzeit 15 Grundschulen.
"Der Bedarf wäre höher, aber leider haben wir nicht genügend Ehrenamtliche", erläutert Olga Knaus, zuständige Projektleiterin beim Caritasverband. Umso dankbarer ist sie für Mitarbeiter wie Günther Ecker. Der 65-jährige aus dem Neuwieder Stadtteil Irlich gehört seit drei Jahren zur Lernpaten-Truppe, bei der "leider der Männeranteil mit nur 20 Prozent sehr gering ist".
Günther Ecker aus Neuwied ist einer von 40 ehrenamtlichen Lernpaten im gemeinsamen Projekt von Caritas und Kreisverwaltung.Christine Cüppers
Nach dem Ende seiner Arbeit als Geschäftsführer und Coach einer Vertriebsgesellschaft, bei der er für 30 Mitarbeiter zuständig war, habe er sich überlegt: "Spiele ich jetzt Golf? Oder fülle ich die freie Zeit mit etwas Karitativem?" In einer Warteschlange bei der Sparkasse sei ihm der Flyer des Lernpaten-Projekts in die Hand gefallen. "Schenk(g)st du mir 2 Stunden?", fragt das verträumt dreinschauende Mädchen auf dem Titelbild. Zwei Stunden Zeit verschenken? Für ein Kind? Günther Ecker musste nicht lange überlegen, meldete sich beim Caritasverband und sah sich schon als Lernpate in der Grundschule schräg gegenüber. "Dass die gar nicht mitmacht beim Projekt, erfuhr ich erst viel später", erinnert sich der rüstige Rentner.
Zunächst absolvierte er die 30-stündige Schulung zu Aufgaben, rechtlicher Situation und erforderlicher Grundhaltung des Lernpaten. Dann ging es zum Kennenlernen in die Schule - zur 15 Kilometer entfernten Marienschule Bad Hönningen, eine Ganztagsschule für 200 Schüler.
"Die Grundschulen melden sich zur Teilnahme am Projekt beim Kreis an. Wir vermitteln die Paten", informiert Olga Knaus. Zurzeit betreut Günther Ecker ein Mädchen in der zweiten Klasse und einen Jungen im dritten Schuljahr. Beide haben nicht nur Lernschwierigkeiten, sondern zusätzliche "Risikofaktoren", die sie für die Projekt-Teilnahme eignen. "Der Junge erfährt zuhause keine Unterstützung, ist ganz auf sich allein gestellt", schildert Lernpate Ecker. Seine Aufgabe sei es, Defizite aufzufangen und durch regelmäßige und verlässliche Begleitung zu helfen.
Die Potentiale zusammenbringen
Konkret sitzt Günther Ecker jede Woche je einen Vormittag lang neben seinen Patenkindern im Unterricht. Wenn die kindlichen Gedanken vom Wochenplan in Traumwelten abschweifen, oder sich angesichts des Aufgabenberges Panik breitzumachen beginnt, dann wird der Pate aktiv. "Ich erledige keine Aufgaben, sondern begleite die Kinder und achte darauf, dass sie bei der Sache bleiben." Der schönste Arbeitslohn für Günther Ecker ist es, wenn seine Schützlinge Erfolgserlebnisse haben. "Die Änderungen in Körperhaltung und Gesichtsausdruck, wenn es ein Smiley von der Lehrerin gibt, sind wunderbar zu beobachten", freut sich der Lernpate. In den Klassen gehört der Lernpate längst dazu und wird wie ein Opa wahrgenommen. Ein Opa, der alles mitmacht, was am Schulvormittag so passiert: Basteln, Tanzen, in den Pausen mit den Mädchen nicht ganz so wild Fußball spielen - für Ecker liebgewonnene Beschäftigungen. "Ich habe das Gefühl, etwas richtig Sinnvolles zu tun", sagt der Vater einer erwachsenen Tochter.
Und: Demnächst werde er die Patenschaft für eine fünfköpfige syrische Familie in seinem Heimatort übernehmen, sagt Ecker in Vorfreude auf diese neue Aufgabe. Zeitlich lasse er sich nicht fesseln. Aber er habe den Ergeiz, verlässlicher Partner für die Kinder, die Lehrer, die Caritas und die Flüchtlingsfamilie zu sein. "Wenn wir uns als Mittelschicht nicht kümmern und alles nur auf Politik und Organisationen schieben, wird unsere Gesellschaft nachhaltig leiden", prognostiziert der überzeugte Christ, für den der Einsatz für das Gemeinwohl selbstverständlich ist. Günther Ecker hat durch seine Tätigkeit auch einen geweiteten Blick auf die Arbeit der Caritas: "Ich sehe erst, wo überall gehandelt und wie vielen benachteiligten Menschen geholfen wird." Dass der Caritasverband diese wertvolle, positive Arbeit noch intensiver darstellt und an der Basis stärker persönliche Werbung macht, das wünscht er sich und dem Verband für die Zukunft. Denn Olga Knaus und Günther Ecker sind sich einig: "Der Bedarf, aber auch die Potentiale sind groß. Die müssen nur sinnvoll zusammengebracht werden."