Blick auf Leben und Tod hat sich verändert
Das stationäre Hospiz in der Trierer Ostallee empfängt den Besucher an diesem Morgen mit seiner offenen, freundlichen Atmosphäre. Sophie Weides hat hier ganz offensichtlich den idealen Platz für ihr FSJ gefunden. Im "Raum der Stille", der für die Gäste und besonders auch für Angehörige eingerichtet wurde, sitzt die 20-jährige in einem gemütlichen großen Sessel und erzählt über ihre Eindrücke bei der Hospizarbeit und ihre künftigen Pläne. Ärztin will Sophie Weides werden, und das spätestens seit ihrem Sozialpraktikum in der zehnten Klasse auf der neurologischen Station eines Krankenhauses. "Da war ich direkt mit einbezogen, war mitten im Trubel. Obwohl ich erst 16 war, trauten mir die Menschen auf der Station viel zu", erinnert sie sich an die Zeit, die ihre Leistungskurs-Wahl maßgeblich beeinflusste. Neben Deutsch und Geschichte entschied sie sich für Biologie, das Fach, "in dem sich mir neue Welten eröffneten und ich so viel verstehen lernte". Trotz 1,6er Abiturdurchschnitt kam Sophie Weides nicht gleich in die Reihe der künftigen Medizinstudenten, und so entschloss sie sich für ein FSJ im medizinischen Bereich.
Viel fürs Leben gelernt hat Sophie Weides in ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr im stationären Hospiz in Trier.
Den Gästen kleine Wünsche erfüllen
"Der Palliativgedanke war noch ganz aktuell, da mein Opa vor zwei Jahren zuhause an Krebs gestorben ist", erzählt die junge Frau. Über die Sozialen Lerndienste kam sie ins Hospiz, wo sie am 1. August 2015 als zweite FSJ´lerin ihre Arbeit begann. "Erst dachte ich ja schon, dass ich so viel Schlimmes nachher wohl nie mehr sehen und erleben werde", gesteht Sophie, ergänzt aber sofort, "dabei habe ich in diesem Jahr einen sehr schönen, wertvollen Ort und ganz tolle Menschen kennengelernt".
Das Jahr begann zunächst quasi an der Hand von Hauswirtschafterin Andrea. "Sie hat mir inzwischen Backen und Kochen beigebracht. Eine Bereicherung fürs Leben, denn vorher konnte ich überhaupt nichts in der Richtung." Schon an ihrem zweiten Tag begleitete sie den Pflegedienst. In ihrer ersten Woche waren vier Gäste im Haus, derzeit sind alle acht Betten belegt. "Ja, wir nennen die Menschen, die im Hospiz leben, nicht Patienten oder Bewohner, sondern Gäste. Und so behandeln wir sie auch", erläutert die FSJ´lerin, die es besonders schön findet, wenn sie beitragen kann, kleine Wünsche zu erfüllen.
Oft geht es dabei ums Essen. Und das ist inzwischen kein Problem mehr für Sophie Weides. Ob sich jemand ein echtes "Kölner Hämmchen" (also ein Eisbein) oder Ratatouille wünscht, "ich habe vor keinem Gericht mehr Angst", sagt die junge Frau, die ebenso gerne die Wünsche nach einer Rückenmassage oder einfach nur nach Zuhören erfüllt.
Bis zuletzt Mensch sein dürfen
Das gute Miteinander im Hospizteam weiß FSJ´lerin Sophie Weides genauso zu schätzen wie Ehrenamtler Günther Gemmel.
Ob sich etwas in ihrem Alltag verändert hat durch das FSJ im Hospiz? "Aber sicher", betont Sophie Weides. "Ich nehme Vieles anders und bewusster wahr, wie etwa im Herbst die fallenden Blätter." Die Tage seien ihr wertvoller geworden. Und sie sei nun gelassener. Im Team hat sie sich von Anfang an wohl gefühlt. Bestätigt wird das gleich in der Küche. Günther Gemmel, ehrenamtlicher Mitarbeiter im Hospiz, nimmt die 20-jährige lachend in den Arm. Wie auch die stellvertretenden Leiterin Melanie Landry ist er begeistert von der unkomplizierten, liebenswerten und engagierten Art, mit der sich die FSJ´lerin in Haus, Team und Arbeit eingebracht hat.
Vom Hospizgedanken ist Sophie Weides vollkommen überzeugt, "obwohl ich Menschen lieber gesund werden sehe". Trotzdem: Durch ihre Arbeit habe sie noch stärker als bisher erfahren, dass der Tod dazugehört. Er sei nicht das dunkle, zentrale Ereignis, das Unnennbare. "Es ist schon schlimm, wenn ich nach einer freien Woche wiederkomme, und Menschen, die ich richtig mochte, sind nicht mehr da." Gerade in diesen Momenten sei aber immer auch jemand da, der auffängt und tröstet. Sophie Weides bedauert, dass so viele Menschen auch in ihrem Bekanntenkreis nichts anfangen können mit dem Hospiz, dass viele Hemmschwellen haben, sich über das Haus und die Arbeit darin zu informieren.
Richtig ärgerlich werde sie, wenn völlig falsche Urteile gefällt werden. "Im Hospiz dürfen Menschen bis zuletzt Mensch sein", beschreibt die Freiwillige, was sie so besonders schätzt. Parallel zum Projekt "Die letzte Inszenierung" hat sich auch Sophie Weides Gedanken gemacht, wie sie den Satz "Bevor ich sterbe möchte ich…" vervollständigen würde. "Das Meer möchte ich noch einmal sehen, am liebsten den Atlantik", sagt sie lachend. Zuerst hofft sie aber, zum Wintersemester einen Medizinstudienplatz an der Uni Tübingen zu bekommen und dann richtig loslegen zu können.
Den Kontakt zum Trierer Hospiz und zu den Menschen will Sophie Weides beibehalten, immer mal wieder reinschauen und vielleicht hin und wieder in den Semesterferien ein bisschen mithelfen. "Zumindest in der Küche kann ich mich ja jetzt richtig nützlich machen", meint sie und schaut verschmitzt lächelnd in die Runde, bevor sie dann gleich beim Kartoffelschälen helfen wird.